Byzantinisches Urkundenwesen in arabischen Quellen 1025-1204

Der für die historisch orientierte Byzantinistik so charakteristische Umstand, daß für zahlreiche Aspekte des Faches neben genuin-byzantinischen Quellen in hohem Maße auch die historiographische Überlieferung benachbarter Völkerschaften herangezogen werden muß, kommt auch im Bereich der Urkundenforschung zu tragen. So stand Franz Dölger bei der Bearbeitung seiner "Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453" vor dem Problem, neben der griechischen auch die gesamte westlich-lateinische, slavische und orientalische Überlieferung byzantinischer Kaiserurkunden aufarbeiten zu müssen, eine Aufgabe, die er insbesondere in Bezug auf die arabischen Quellen nur sehr ungenügend erfüllen konnte. Trotz wesentlicher neuer Ergebnisse auf dem Gebiet der Kritik und Auswertung arabischer Quellen seit dem Erscheinen der Erstauflage des 2. Faszikels der Dölger-Regesten: 1025-1204 (1925), weist die von Peter Wirth besorgte Neubearbeitung von 1995 auf diesem Gebiet kaum Fortschritte auf. Der Bereich des nicht-kaiserlichen Urkundenwesens in arabischen Quellen für den Zeitraum 10251204 wurde bislang noch gar nicht systematisch aufgearbeitet. Die Aufgabenstellung des beantragten Projekts besteht daher primär in einer möglichst lückenlosen Zusammenstellung, chronologischen Anordnung und kritischen Bewertung des Materials, das in arabischen Quellen zum byzantinischen Urkundenwesen überliefert wird. Die gesammelten Nachrichten sollen in ausführlichen Regesten möglichst übersichtlich aufbereitet werden, wobei dem Benützer ein vollständiger Überblick in die Hand gegeben wird, der über den Inhalt urkundlicher Äußerungen des byzantinischen Kaisers und untergeordneter weltlicher oder geistlicher Amtsträger des Reichs, wie er sich in arabischen Quellen widerspiegelt, über Zeit und Ort ihrer Abfassung, die arabische Überlieferung im Vergleich zu anderssprachigen Parallelquellen, die maßgebliche Sekundärliteratur, die ereignisgeschichtliche Einordung und schliißlich die quellenkritische Bewertung der einzelnen Berichte informiert. Zeitlich und methodisch schließt das Vorhaben son-üt unmittelbar an das derzeit noch laufende Vqrgängerprojekt PI 1739-HIS für die Periode 565-1025 an. Es bringt sowohl einen Fortschritt im Bereich der byzantinischen Diplomatik im engeren Sinne (Aufarbeitung von Deperdita und von Urkundentexten in arabischer Übersetzung nach quellenkritischen und philologischen Kriterien) als auch im Bereich der Erforschung der byzantinisch-arabischen Geschichte im allgemeinen (weitere Klärung ereignisgeschichtlich-chronologischer Probleme, Ausgangspunkt für Fragestellungen nach der Rezeption und Bearbeitung authentischer und fiktiver schriftlicher Äußerungen byzandnischer Provenienz in der arabischen Historiographie bzw. in ihrem Rezipientenkreis und nach weiteren interkulturellen Interferenzen).

Projektleiter:
Prof. Dr. Otto KRESTEN
Institut für Byzantinistik und Neogräzistik
Postgasse 7/1/3
1010 Wien
otto.kresten@univie.ac.at
Tel. (1) 4277 41010

Beginn: 01.04.2001
Ende: 30.04.2003